Die jüngste Entscheidung des Kassationsgerichts (Nr. 6802 vom 7. März 2023) bietet bedeutende Überlegungen zum Thema der elterlichen Verantwortung und der religiösen Erziehung von Minderjährigen. Das Urteil behandelt einen emblematischen Fall hinsichtlich der Entscheidung, ein minderjähriges Mädchen am Religionsunterricht in der öffentlichen Schule anzumelden, und hebt die Sensibilität der Bildungsentscheidungen in komplexen familiären Kontexten hervor. Bei der Prüfung des Falls wird deutlich, dass nicht nur die rechtlichen Positionen der Eltern, sondern auch die Rolle des Richters bei der Gewährleistung des vorrangigen Interesses des Kindes zu verstehen sind.
Im vorliegenden Fall hatte das Berufungsgericht Venedig entschieden, dass die Entscheidung über die Anmeldung zum Religionsunterricht der Mutter zustehe, insbesondere unter Berücksichtigung des familiären Kontextes und der bereits erteilten Erziehung an die ältere Schwester. Der Vater, A.A., legte jedoch Berufung ein und behauptete, dass die religiösen Rechte und die Bildungsfreiheit verletzt worden seien. Das Kassationsgericht musste daher prüfen, ob die Entscheidung des Berufungsgerichts mit den Prinzipien des Familienrechts, insbesondere mit denen des Bürgerlichen Gesetzbuches und den internationalen Konventionen, im Einklang stand.
Der Richter muss Maßnahmen ausschließlich im Interesse des Kindes ergreifen und darf nicht die Eltern in ihren Bildungsentscheidungen ersetzen.
Gemäß Artikel 316 des Bürgerlichen Gesetzbuches müssen die Eltern die elterliche Verantwortung einvernehmlich ausüben. Bei Meinungsverschiedenheiten über besonders wichtige Fragen muss der Richter eingreifen. Das Kassationsgericht betonte, dass Entscheidungen in religiösen Angelegenheiten nicht anfechtbar sind, jedoch schließt dies nicht aus, dass der Richter im Falle eines Konflikts die potenziellen Auswirkungen der Entscheidungen auf die Minderjährigen bewerten muss. Die Prinzipien des internationalen Rechts, wie die UN-Konvention über die Rechte des Kindes, bekräftigen die Bedeutung des Respekts vor religiösen Überzeugungen und der Bildungsfreiheit, jedoch stets im Einklang mit dem vorrangigen Interesse des Kindes.
Das Urteil bekräftigt, dass im Falle eines Konflikts zwischen den Eltern die Entscheidung nach dem Prinzip des Kindeswohls geleitet werden muss. In diesem Fall hat das Kassationsgericht die Berufung des Vaters angenommen und festgestellt, dass die Frage der religiösen Erziehung nicht ohne eine angemessene Bewertung der Bedürfnisse und Neigungen des Mädchens gelöst werden kann. Zudem wurde die Bedeutung hervorgehoben, das Mädchen selbst, auch wenn es sehr jung ist, zu hören, um ihre Bildungs- und spirituellen Bedürfnisse zu verstehen.
Das Urteil des Kassationsgerichts stellt einen wichtigen Leitfaden für die Lösung von familiären Streitigkeiten hinsichtlich der religiösen Erziehung von Minderjährigen dar. Es betont die grundlegende Rolle des Richters, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen stets im besten Interesse des Kindes getroffen werden, wobei die spezifischen Umstände jedes Falls bewertet werden. In einem zunehmend komplexen sozialen Kontext ist es unerlässlich, dass die Prinzipien der Religionsfreiheit und der elterlichen Verantwortung sorgfältig ausbalanciert werden, um ein gesundes und harmonisches Aufwachsen der betroffenen Minderjährigen zu gewährleisten.