Im empfindlichen Gleichgewicht zwischen der Feststellung der prozessualen Wahrheit und dem Schutz der schwächsten Personen ist die italienische Rechtsprechung ständig gefordert, Grenzen und Garantien zu definieren. In diesem Zusammenhang steht die bedeutende Entscheidung des Obersten Kassationsgerichtshofs, Urteil Nr. 10869, vom 18. März 2025, das mit Klarheit zum Thema der beweglichen Beweisaufnahme und dem Schutz schutzbedürftiger Opfer Stellung nimmt. Eine Entscheidung, die einen festen Punkt markiert und grundlegende Prinzipien für die Strafjustiz und die Menschenrechte bekräftigt.
Die bewegliche Beweisaufnahme stellt eine vorverlegte Phase der Beweisaufnahme dar, die vor der Hauptverhandlung stattfindet und es ermöglicht, Beweise zu sichern, die möglicherweise nicht mehr verfügbar wären oder deren verzögerte Erhebung die Echtheit oder die psychophysische Gesundheit des Zeugen beeinträchtigen könnte. Sie ist ein Instrument von grundlegender Bedeutung, insbesondere wenn die zu befragende Person ein Opfer einer Straftat ist, das als schutzbedürftig gilt.
Die Strafprozessordnung, insbesondere in Art. 392 Abs. 1-bis, sieht spezielle Fälle vor, in denen die bewegliche Beweisaufnahme nicht nur zweckmäßig, sondern notwendig ist, insbesondere für Opfer von besonders schweren Straftaten wie sexuelle Gewalt, häusliche Gewalt (Art. 572 StGB) oder andere Delikte, die naturgemäß ein hohes Risiko der Sekundärviktimisierung bergen. Die Norm zielt darauf ab, das Opfer vor einem weiteren Trauma zu schützen, das aus der wiederholten Exposition gegenüber prozessualen Ereignissen resultiert, und gleichzeitig die Unwiederholbarkeit der Beweiserhebung in einem geschützten Umfeld zu gewährleisten.
Der Oberste Kassationsgerichtshof hat mit dem Urteil Nr. 10869/2025 einen beispielhaften Fall behandelt, in dem der Ermittlungsrichter (GIP) des Gerichts von Termini Imerese einen Antrag auf bewegliche Beweisaufnahme abgelehnt hatte. Der Oberste Gerichtshof hob die Entscheidung ohne Zurückverweisung auf und bezeichnete sie als „abnorm“.
Eine Entscheidung, mit der der Richter einen Antrag auf bewegliche Beweisaufnahme zur Zeugenaussage des Opfers einer der in Art. 392 Abs. 1-bis, erster Satz, StPO aufgeführten Straftaten ablehnt, weil die Voraussetzungen der Schutzbedürftigkeit des Opfers oder der Nichtaufschiebbarkeit der Beweiserhebung nicht gegeben seien, ist abnorm und daher mit Kassationsbeschwerde anfechtbar, da die Existenz dieser Voraussetzungen gesetzlich vermutet wird.
Diese Leitsatzentscheidung ist von außerordentlicher Bedeutung. Sie klärt, dass bei den ausdrücklich in Art. 392 Abs. 1-bis StPO genannten Straftaten die Schutzbedürftigkeit des Opfers oder die Nichtaufschiebbarkeit der Beweiserhebung keine von Fall zu Fall zu beweisenden Bedingungen sind, sondern gesetzlich vermutet werden. Das bedeutet, dass der Richter den Antrag auf bewegliche Beweisaufnahme nicht auf der Grundlage seiner eigenen Beurteilung des Fehlens dieser Voraussetzungen ablehnen kann, da das Gesetz sie bereits als gegeben ansieht. Die Ablehnungsentscheidung ist unter diesen Umständen als „abnorm“ anzusehen, d. h. als eine Handlung, die aufgrund ihrer radikalen Abweichung vom gesetzlichen Modell keine rechtlichen Auswirkungen hat und unmittelbar beim Obersten Kassationsgerichtshof angefochten werden kann.
Die Entscheidung des Obersten Kassationsgerichtshofs unter dem Vorsitz von M. C. und mit E. A. als Verfasser und Berichterstatter hat mehrere praktische Auswirkungen:
Diese Entscheidung steht in Kontinuität mit einem juristischen Weg, der, obwohl nicht ohne frühere Abweichungen, darauf abzielt, die Position des Opfers zu stärken, indem seine besondere Fragilität in bestimmten kriminellen Kontexten anerkannt wird. Verweise auf übereinstimmende frühere Entscheidungen (wie das Urteil Nr. 47572 von 2019) und die Vereinigten Kammern (wie Nr. 20569 von 2018) verdeutlichen, wie der Oberste Gerichtshof eine Tendenz zum verstärkten Schutz konsolidiert.
Das Urteil Nr. 10869/2025 des Obersten Kassationsgerichtshofs stellt einen bedeutenden Schritt nach vorn beim Schutz schutzbedürftiger Opfer im italienischen Strafverfahren dar. Indem der Oberste Gerichtshof die vermutete Natur der Schutzbedürftigkeit für bestimmte Kategorien von Straftaten bekräftigte, hat er ein wesentliches Instrument bereitgestellt, um sicherzustellen, dass die Gerechtigkeit nicht nur fair, sondern auch sensibel und schützend gegenüber denen ist, die bereits ein Trauma erlitten haben. Diese Ausrichtung stärkt nicht nur die Rechte der Opfer, sondern trägt auch zu einem menschlicheren und effektiveren Justizsystem bei, in dem das Verfahren im Dienste der materiellen Gerechtigkeit und der Würde jedes Einzelnen steht.