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Die Geringfügigkeit des Sachverhalts in der Vorverhandlung: Die Autonomie des Richters mit Urteil Nr. 9618/2025 | Anwaltskanzlei Bianucci

Die Geringfügigkeit der Tat in der vorgerichtlichen Anhörung: Die Autonomie des Richters mit dem Urteil Nr. 9618/2025

Das Strafrecht ist ein sich ständig weiterentwickelndes Feld, in dem jede gerichtliche Entscheidung die Grenzen der Normenanwendung neu gestalten kann. Eine kürzlich ergangene und bedeutende Entscheidung des Obersten Kassationsgerichtshofs, das Urteil Nr. 9618 vom 19. Februar 2025 (eingereicht am 10. März 2025), fügt sich genau in diesen Kontext ein und liefert entscheidende Klarstellungen zur Anwendung des Grundes für die Nichtbestrafung wegen besonderer Geringfügigkeit der Tat gemäß Artikel 131-bis des Strafgesetzbuches im Rahmen der vorgerichtlichen Anhörung gemäß Artikel 554-ter der Strafprozessordnung. Diese Entscheidung wird die gerichtliche Praxis erheblich beeinflussen und sowohl für die Angeklagten als auch für die Juristen neue Perspektiven eröffnen.

Der rechtliche Kontext: Art. 131-bis StGB und die verschiedenen Prozessphasen

Um die Tragweite des Urteils Nr. 9618/2025 vollständig zu verstehen, ist es unerlässlich, den rechtlichen Rahmen zu rekapitulieren. Artikel 131-bis des Strafgesetzbuches, der 2015 eingeführt wurde, ermöglicht es dem Richter, die Nichtbestrafung des Angeklagten zu erklären, wenn aufgrund der Art der Handlung und der geringen Höhe des Schadens oder der Gefahr die Verletzung von besonderer Geringfügigkeit ist und das Verhalten nicht gewohnheitsmäßig ist. Dieses Institut zielt darauf ab, die gerichtliche Belastung zu verringern und unverhältnismäßige Folgen für geringfügige Taten zu vermeiden. Seine Anwendung hat Interpretationsfragen aufgeworfen, insbesondere in Bezug auf die verschiedenen Phasen des Strafverfahrens.

Die Strafprozessordnung sieht vor dem Hauptverfahren verschiedene "Filteranhörungen" vor: die Voruntersuchung (Art. 425 StPO), die vorgerichtliche Anhörung (Art. 554-ter StPO), die durch die Cartabia-Reform eingeführt wurde, und das Urteil, mit dem vor dem Hauptverfahren keine Verhandlung stattfindet (Art. 469 StPO). Obwohl alle zu einer vorzeitigen Entlassung führen können, sind die Bedingungen für die Anwendung von Art. 131-bis StGB nicht immer gleich, was zu Zweifeln führt, die der Oberste Gerichtshof zu klären beabsichtigt hat.

Das Urteil Nr. 9618/2025: Die Rolle des Richters in der vorgerichtlichen Anhörung

Der Oberste Kassationsgerichtshof hat mit dem Urteil Nr. 9618/2025, unter dem Vorsitz von Frau Dr. G. V. und mit Herrn Dr. M. M. A. als Berichterstatter, über die vom Angeklagten S. R. eingelegte Berufung entschieden und die Entscheidung des Berufungsgerichts von Reggio Calabria zurückgewiesen. Die zentrale Frage war, ob der Richter der vorgerichtlichen Anhörung (Art. 554-ter StPO) Art. 131-bis StGB auch ohne ausdrückliche Nichtwiderspruch des Angeklagten anwenden konnte. Die Leitsatzentscheidung klärt diesen Punkt eindeutig:

Die Gleichstellung des Urteils gemäß Art. 554-ter StPO mit dem gemäß Art. 425 StPO, die auch durch den Verweis in Art. 554-ter Abs. 1 StPO erfolgt, ermöglicht es dem Richter der vorgerichtlichen Anhörung, den Grund für die Nichtbestrafung gemäß Art. 131-bis StGB unabhängig vom Nichtwiderspruch des Angeklagten anzuwenden.

Diese Feststellung ist von grundlegender Bedeutung. Der Gerichtshof hat anerkannt, dass die vorgerichtliche Anhörung ihrer Natur und ihrem Zweck nach der Voruntersuchung gemäß Art. 425 StPO gleichgestellt ist. In beiden Phasen genießt der Richter eine größere Beurteilungsautonomie und kann ein Entlassungsurteil auf der Grundlage seiner eigenen Überzeugung erlassen, ohne dass eine Zustimmung oder ein Nichtwiderspruch der Parteien erforderlich ist. Dies unterscheidet sich deutlich von anderen Phasen, wie z. B. dem Urteil, mit dem vor dem Hauptverfahren keine Verhandlung stattfindet (Art. 469 StPO), für das derselbe Gerichtshof in der Begründung präzisiert hat, dass "der Richter, um das Urteil der Nichtbestrafung gemäß Art. 131-bis StGB erlassen zu können, die Parteien zwingend anhören und ihren Nichtwiderspruch einholen muss".

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die entscheidende Unterscheidung auf der Natur der Anhörungen beruht:

  • In der vorgerichtlichen Anhörung (Art. 554-ter StPO) und in der Voruntersuchung (Art. 425 StPO) kann der Richter Art. 131-bis StGB von Amts wegen, ohne Zustimmung der Parteien, anwenden.
  • In der Phase vor dem Hauptverfahren (Art. 469 StPO) ist die Abwesenheit eines Widerspruchs der Parteien unerlässlich.

Diese gerichtliche Präzisierung festigt die Ausrichtung, dass die vorgerichtliche Anhörung, obwohl sie eine "Filter"-Phase ist, die mit dem Ziel eingeführt wurde, Prozesse zu beschleunigen, die Merkmale eines autonomen Gerichtsverfahrens beibehält, in dem der Richter seine Garantiefunktion voll ausüben kann.

Schlussfolgerungen und praktische Auswirkungen

Das Urteil Nr. 9618/2025 hat erhebliche praktische Auswirkungen. Für die Angeklagten bietet es mehr Sicherheit hinsichtlich der Möglichkeit, dass die Geringfügigkeit der Tat bereits in einer frühen Phase anerkannt wird, ohne dass ein möglicher Widerspruch ihrerseits eine solche Entscheidung ausschließen kann. Dies kann zu einer erheblichen Einsparung von Zeit und Prozessressourcen führen. Für die Verteidiger stärkt die Entscheidung die Strategie, die Anwendung von Art. 131-bis StGB auch in der vorgerichtlichen Anhörung zu beantragen, in dem Wissen, dass die Entscheidung in voller Autonomie dem Richter obliegt.

Letztendlich hat der Oberste Gerichtshof eine klare und kohärente Auslegung des Strafverfahrensrechts nach der Cartabia-Reform geliefert. Das Urteil Nr. 9618/2025 stellt ein wichtiges Puzzleteil im Mosaik der Strafjustiz dar und bekräftigt die Bedeutung einer schnellen und effizienten Justiz, jedoch stets unter Wahrung der Grundprinzipien und der Entscheidungsautonomie des Richters.

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