Warning: Undefined array key "HTTP_ACCEPT_LANGUAGE" in /home/stud330394/public_html/template/header.php on line 25

Warning: Cannot modify header information - headers already sent by (output started at /home/stud330394/public_html/template/header.php:25) in /home/stud330394/public_html/template/header.php on line 61
Urteil Kassationsgericht Nr. 11670/2025: Wann die Berufung nur des Angeklagten eine Umschreibung von Stalking in Misshandlung eröffnet | Anwaltskanzlei Bianucci

Urteil des Kassationsgerichtshofs Nr. 11670/2025: Die feine Grenze zwischen Stalking und Misshandlung in der Berufung

Mit der Entscheidung Nr. 11670 vom 24. März 2025 liefert die VI. Strafkammer des Kassationsgerichtshofs einen neuen interpretativen Baustein zum Thema der Korrelation zwischen Anklage und Urteil. Der Fall entstand aus einem Berufungsverfahren, das nur vom Angeklagten eingeleitet wurde – der in erster Instanz wegen Nachstellung verurteilt worden war –, in dem das Berufungsgericht die Tat als Misshandlung von Familienmitgliedern oder Haushaltsangehörigen neu qualifizierte. Der Oberste Gerichtshof hatte zu entscheiden, ob ein solches „in peius“-Eingreifen mit den Artikeln 521 und 597 Absatz 3 der Strafprozessordnung und allgemeiner mit dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 EMRK vereinbar war.

Die Leitsatzentscheidung des Gerichts

Berufungsverfahren – Anfechtung nur durch den Angeklagten – Neuklassifizierung des Delikts gemäß Art. 612-bis StGB in das Delikt gemäß Art. 572 StGB – Möglichkeit – Vorhandensein – Bedingungen.

Mit anderen Worten, für den Kassationsgerichtshof kann das Berufungsgericht den Straftatbestand zuungunsten des Angeklagten ändern, wenn – und nur wenn – drei Voraussetzungen erfüllt sind:

  • die neue Qualifizierung muss vorhersehbar sein, angesichts der ursprünglichen Anklage und des Beweismaterials;
  • der Angeklagte muss in die Lage versetzt worden sein, sich effektiv zu verteidigen (auch durch ein Kassationsverfahren);
  • es darf keine strengere Sanktionierung daraus resultieren, wobei jede Verletzung des Verbots der reformatio in peius vermieden werden muss.

Die Begründung des Obersten Gerichtshofs

Die VI. Kammer verweist zunächst auf Artikel 111 Absatz 2 der Verfassung und Artikel 6 EMRK: Der Korrelationsgrundsatz ist gewahrt, wenn der Angeklagte das Ergebnis des Verfahrens „vernünftigerweise“ vorhersehen kann. In diesem Fall machte die beschriebene Verhaltensweise – wiederholte häusliche Gewalt, die in zwanghafte Kontrollen ausartete – die Tatbestandsmerkmale der beiden Straftaten überlappbar, die beide auf einer Abfolge von Handlungen beruhten, die die Freiheit und die psychophysische Integrität des Opfers verletzten.

Der Kassationsgerichtshof betont ferner, dass das Kassationsverfahren einen weiteren Raum für den Widerspruch gewährleistet: Der Angeklagte kann die Neuklassifizierung anfechten und neue Verteidigungsargumente vorbringen. Daher ist keine Rückverweisung der Akten gemäß Artikel 521 Absatz 2 der Strafprozessordnung erforderlich, es sei denn, es liegt eine konkrete Verletzung des Verteidigungsrechts vor.

Anwendungsbereiche und Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung steht im Einklang mit den früheren Urteilen Cass. Nr. 422/2020, 45400/2022 und 26263/2024, erweitert jedoch die Handlungsspielräume des Berufungsgerichts. Für Juristen ergeben sich daraus einige praktische Hinweise:

  • Verteidiger: Bereits in der Vorverhandlung die mögliche Überlappung „benachbarter“ Straftatbestände bewerten und geeignete Beweismittel vorbereiten, um die schwerere Tatbestandsvariante auszuschließen.
  • Staatsanwaltschaft: Alternative oder nachrangige Anklagen formulieren, um Einwände der Unvorhersehbarkeit zu vermeiden.
  • Richter: Punktuell zur Vorhersehbarkeit und zur Nichtverschärfung der Sanktionierung begründen.

Hinsichtlich der Sanktionen sei daran erinnert, dass Art. 612-bis eine Freiheitsstrafe von 1 bis 6 Jahren vorsieht, während Art. 572 von 3 bis 7 Jahren reicht. Der Kassationsgerichtshof hält jedoch das Verbot der reformatio in peius für gewahrt, wenn – wie im konkreten Fall – die in der Berufung verhängte Strafe innerhalb des ursprünglichen Höchstmaßes liegt.

Schlussfolgerungen

Das Urteil Nr. 11670/2025 festigt eine Ausrichtung, die dazu neigt, die materielle Wahrheit dem starren Festhalten an den Anklagen vorzuziehen, wobei die Verteidigungsrechte gewahrt bleiben. Für Strafverteidiger ist dies eine Mahnung: Eine Berufung, die „zur Flucht“ vor einer Verurteilung eingelegt wird, kann zu einem rutschigen Terrain werden, wenn nicht alle möglichen Neuklassifizierungsergebnisse abgesichert werden. Die Rechtsprechung ihrerseits stärkt den Dialog mit der EMRK und zeigt, wie prozessuale Effizienz und individuelle Garantien miteinander vereinbart werden können.

Anwaltskanzlei Bianucci